Europe Aliens: Hackday 2014

Open Data Hack Day 2014

"Team Rhein-Neckar" erhält Sonderpreis von der Open Knowledge Foundation

für die journalistische Herangehensweise und mobile first-Philosphie

"Die 40 Teilnehmer des "Open Data Hack Day" haben ihr Können auf diesem Feld sehr kreativ und innovativ

 unter Beweis gestellt. Da wurde eifrig diskutiert, analysiert, skizziert und am Ende interaktiv visualisiert.

Die Projektgruppen widmeten sich Themen, wie „European Aliens – invasive Tier- und Pflanzenarten in Europa“

mit einer kurzerhand entwickelten App, machten aus „Whistleblowing“ „Visualblowing“ und deckten auf, wie Politiker gegen ihre eigene Partei arbeiten."

zum Focus-Artikel (aber erst später)

Für den 15. Juni zettelte die Burda Verlagsgruppe – also u.a. Focus, die deutsche Huffington Post und so – den ersten deutschen interdisziplinären Open Data Hack Day am Stammsitz in Offenburg an. Die Ansage ging deutschlandweit an Datenjournalisten, Coder und Designer sowie natürlich auch an Hybride dergleichen. Es winkten für's Gewinnertreppchen Preise mit attraktiven Gutscheinen für Elektronik-Gedöhns, Fame und natürlich geballtes Netzwerken, Team Craft und Spaß innerhalb eines noch sehr jungen Genres: Datenjournalismus (DDJ) und Data Visualisations.

Sebastian Schellenberger und Oliver Rack von Open Data Rhein-Neckar fackelten nicht lange und meldeten sich an. Kurzerhand wurde für den Hack Day mit den gerade frisch angefreundeten Heilbronnern Vanessa Wormer und Felix Ebert vom dortigen Open Data Lab (die mit ihrer Trinkwasser-App von sich reden gemacht haben) das Joint Venture "Team Rhein-Neckar" ausgeheckt und nach ein paar Google Hang Outs das Thema festgeklopft:

Europe Aliens – invasive Arten (Neobiota) in Europa und speziell innerhalb der Tief-Ebenen von Rhein, Neckar, Main, die aufgrund ihres warmen Klimas diesem Phänomen besonders ausgesetzt sind. Was in den 80ern/90ern noch belustigt, zumindest von der Allgemeinheit, als tierischer Urlaubsgruß abgetan wurde, hat sich über die letzten Dekaden zum ernsten Umweltproblem ausgewachsen (als hätten die Biologen nicht früh' genug davor gewarnt):

Tausende Tier- und Pflanzenarten bisweilen äußerst darwinistisch erprobt – haben seit Entstehung der globalisierten Handels- und Reiserouten vor allem seit den 70ern ihren Weg nach Europa gefunden und sich hier mit mehr oder weniger Agressivität selbst beheimatet.

Das ist für hiesige Fauna, Flora, Agrawirtschaft und bisweilen für Leib und Seele des Menschen ungünstig – ist aber so.

However, wir haben uns jedenfalls für den Hackathon vorgenommen, den behördlich Alarm in der letzten Zeit zu Neobiota als Anlass zu nehmen, Leser über Daten und Datenbank für das Malheure zu sensibilisieren und es in einem Hosentaschenkatalog mit Background, Map und pipapo erlebbar zu machen.

Nach einigem Stöbern viel uns eine Datenbank der EU in die Hände, mit Widget-Service und Flussdiagramm. In Beta-Status zwar, aber grundsätzlich vielversprechend, sollte man meinen. Wir hatten es beim Fund belassen und uns die API fürs Kapern am Hackday auf Wiedervorlage geschoben. Ein Fehler – zwar nicht wirklich tragisch aber lehrreich, sollte sich am Hackday herausstellen.

Man könnte den Burda-Tower als Leuchturm im wahrsten Wortsinn bezeichen. Mit 15 Stockwerken ehebt er sich weit über die ohnehin rurale Rheinebene um Offenburg, was sich bei der recht frühmorgendlichen Anreise als erleichternde Orientierunshilfe erwies. Pünktlich um neun Uhr eröffneten die Organisatoren von Burda Natalia Karbasova (Assistenz der Geschäftsführung im Bereich datengetriebene Publizistik) und Maximilian Gaub (Lehrkraft an der Burda-Journalsitenschule) vor über 40 angereisten Journalisten, Designern und Codern den Hackathon mit knappen Einleitungen zugunsten des ehrgeizigen Zeitplans: In sieben Stunden mussten die Projekte der neun teilnehmenden Teams stehen und bei der Jury eingereicht sein. Der da waren:

Ralf Lankau (Professor für Mediengestaltung und Medientheorie der Hochschule Offenburg),

 Robert Pölzer (Chefredakteur von Freizeit Revue u. Freizeit Spass), Hans Fink (Geschäftsführer von BurdaIntermedia),

 Martin Virtel (Journalist und Mitinhaber von „Open Data City“) und

Ludwig Zeller (Dozent und Designforscher an der

Hochschule für Kunst und Gestaltung in Basel)

Die Atmo in der Mahagoni-Etage war relaxt und produktiv, soll hier aber nicht weiter schnöde verschriftlicht werden: das (natürlich interaktive) Patchwork weiter unten auf der Seite ist da aussagekräftiger und dort findet sich auch ein Video zum Happening.

Eine API ist kein Kaffeautomat. Wie sie ihre Daten anbietet, ihre Struktur, die Pfade zu den Attributen die Formulierung der Anfrage, das alles ist zuweilen knifflig und braucht Zeit um sich hineinzufuchsen oder: es gibt eine griffige Beschreibung. Doch von der war weit und breit (zumindest in der Hektik) keine Spur und, noch schlimmer: Die Rückmeldungen auf die ersten Query-Versuche lieferten Salven an Biologen-Kauderwelsch und die gesuchten Aliens gab's nur auf Latein! Das war auch der bewährten Google Translate zu viel, die sich beim Übersetzen in unglaubwürdigen Phantasiewörtern verhob.

Planänderung. Wir sind ja nicht ganz von gestern und hatten uns am Vortag zur inhaltlichen Orientierung die Top 100 bösesten, aggresivsten, imperialistischsten Aliens auf europäischem Boden aus der Website des EU-geförderten Projekts "Europe-Aliens" in ein Spreadsheet gescraped und dann händisch damit begonnen, die deutschen Namen zu recherchieren sowie Herkunft, neue Heimat und Highlights zu sammeln. Überflüssig zu sagen, dass uns da Wikipedia, wie so oft, eine riesen Hilfe war und natürlich die emsigen Biologen, die das ganze gefüttert haben und denen kein Tierchen zu klein war, um es nicht episch dort zu beschreiben, zu bestimmen und irgendwie auch zu verehren. Zum Glück hatten wir Alexandra Franz aus einer Burda-Redaktion noch mit an Bord, die sich ein paar Tage zuvor spontan unserem Bunde angeschlossen hatte und mit Vanessa gekonnt die Spitzen aus den Bleiwüsten der Biologen samplete und mit an der Tabelle schraubte, während Coder Felix und Designer Sebastian sich blendent in Programmiersprachen unterhielten – ein wohltuender Indikator dafür, dass hier ein Coder mit Designansprüchen und ein Designer mit Codeverstand harmonisch produzieren konnten. Jetzt sind die Journalisten an der Reihe.

Oliver Rack machte sich derweil an die Daten. Es ist quasi ein Naturgesetz des Stöberns, dass man, gerade unter Zeitdruck, auf

alles – mitunter sehr spannedes – stößt nur nicht auf das, was man gerade sucht. Journalisten, deren Großteil des Handwerks eben genau DAS ist, wissen da ein Lied von zu singen, und interessanterweise hat sich das durch das Internet, gefühlt zumindest, auch nicht wirklich verbessert. So what, das macht ja auch den Kick des Jägerns und Sammlerns aus. Nur: bei der Suche von Datensätzen kann das noch krasser sein: Es gibt da bei der Story keine abgesoftete Grauzone, keine Kosmetik wie im, gerne mal esoterischen, Meinungsjournalismus, der hierzulande gerne praktiziert wird. Vielmehr ist im evidenzbasierten Datenjournalismus der Fund elementar: Gibt es Daten zum Thema isses top! Gibt es keine Daten: droht der Flop.

Wenn sich die Matrix auf die Netzhaut brennt und der Bildschirm zum White Out wird, dann naht mit etwas Glück als befreiende Erlösung ein wunderschöner Render eines plausiblen Diagramms.

Wenn dann alle "filetypes" und sonstige Operatoren in der Suchmaschine abgearbeitet sind und immernoch nur ein Chart aus der Bildersuche der einzige Anhaltspunkt für die ersehnten Values ist, dann, ja dann ist der Zeitpunkt der Bewußtseinserweiterung, ein religiöser, ja metaphysischer Moment der einem Demut vor der Matrix lehrt, der einen ganz nah, ganz intim werden lässt mit jenen Samen aus denen später die Frucht einer bunten, entfalteten, interaktiven Grafik gedeihen soll: Den ZAHLEN.

Es ist die Prüfung, der Leidensweg des Copypaste, die zähe Prozession des profanen Zahlen-Tippens, Tabellenzeile um Tabellenzeile. Wenn sich die Matrix auf die Netzhaut brennt und der Bildschirm zum White Out wird, dann naht mit etwas Glück als befreiende Erlösung ein wunderschöner Render eines plausiblen Diagramms.

Mit den Süßigkeiten ist es so eine Sache: Nicht deswegen, weil es diese in einer verboten großen Menge, hübsch auf einem Beistelltisch drappiert ausgerechnet auf dem Weg zum Infinity-Balkon, dem amtlichen Raucher-Spot, gab. Es gibt doch aber in dieser Variety- und Novelty-Geselschaft immer wieder diesen Effekt, dass irgendeiner einen Riegel neu für sich entdeckt, den er längst als vom Markt genommen wähnte. Diesmal war es Sebastian, der aus dem Entzücken gar nicht mehr raus kam weil er Crispy Rolls aus den Süßigkeiten-Bergen hatte?! Irgendwie scheinen ihn die Konzepter des Visual Merch sämtlicher Tankstellen als Zielgruppe unterschätzt zu haben, jedenfalls hatte das zarte MilkyWay-Derivat offenbar die letzten Jahre nicht den Weg zu Sebastian gefunden. Es musste ohnehin etwas deftiges her, die Mägen knurrten und das Buffet war gerichtet. Es gab Vegetarisches, wenn nicht sogar vegan, Huhn und pfundiges Beef als Buletten, Quaterpounders, mindestens. (Anm.: Da hätten mich die Verzehrstatistiken von Coder, Designer und Journalisten interessiert). Wer sich mit seinem Veggie-Burger oder anderes an einen Stehtisch aufbaute war ein Sonderling. Die meisten hamsterten Leckereien auf die Teller und zogen sich damit geschäftig an ihre Computer zurück – wie gewohnt.

3, 2, 1..bis 16 Uhr mussten die Projekte mitsamt Link zum Ergebnis in Hackerleage eingepflegt und an die Jury überstellt worden sein.

Wir waren nicht fertig geworden, das Ergebnis war trotzdem erlebbar und fürs Erste funktional. Wir waren zufrieden und auch etwas erleichtert. Zügig wurden die Projekte von den Gruppen vorgestellt, das übliche Hickhack mit den VGA-Adaptern wurde von allen Beteiligten gelassen weggesteckt und professionell gelöst, die vorgestellten Arbeiten waren allesamt Bombe! Es gab kein Sujet was gelangweilt hat, keine Umsetzung die nicht ein Aha?, eine Neugierde ausgelöst, eine Erkenntnis vermittelt hat. Journalistisch, grafisch, UX-mäßig kam das alles kool daher. Chapeau!

Wie dem auch sei: jedes Projekt war einen Preis wert, drei von neun Sieger konnten es nur werden.

Ein paar mussten in die Röhre gucken. Kein Ding: Der Weg und so.

Wir haben einen Sonderpreis kassiert. Das passt. Wir sind happy!

Mehr Backgroundinfo zum Hackday bei #digilab

Unten, unter den schicken Fotos steht noch die eingereichte Projektbeschreibung.

Hier gehts zu der Arbeit selbst: Enjoy!

P_R_O_J_E_K_T_B_E_S_C_H_R_E_I_B_U_N_G

Thema: Europe Aliens // Invasive Arten (Neobiota) in Europa

am Beispiel der EU-Liste Top 100 Worst und deren Vorkommen

in den besonders betroffenen Ebenen Rhein-Neckar-Main.

Anknüpfung Hackday:

Environment

Geodata

AUFHÄNGER / AKTUALITÄT / ZIELGRUPPE / RELEVANZ

Sommerzeit – Exotenzeit:

Die nächste Schnappschildkröte kommt bestimmt.

Neobiota, also invasive Arten, bestehend aus Neozoen (Tiere) und Neophyten (Pflanzen) werden zunehmend zu einem ökologischen und ökonomischen Problem.

Das kann von..

..putzig: tausende Papageien der Art Weißbandsittiche bevölkern Rhein-Neckar-Main und knappern sich durch den Putz auf neuen Gebäudedämmungen..

..bis zu..

bedrohlich für heimische Flora und Fauna: Ochsenfrosch bei Karlsruhe killt alle Amphibien, hochallergene Ambrosia im urbanen Raum erhöht Asthma-Risiko, Kanada-Gans verpestet alle Ufer und lässt Badeseen früher kippen..

..gehen.

Dazu kommen weiter illustre Auswirkungen, Herkunftsorte und auch Einwanderungswege, wie den der bekannten Killeralge im Mittelmeer, die mit der Region Südwestdeutschland nicht weniger zu tun hat, als die genetisch valide Erkenntnis, dass alle Killeralgen im gesamten Mittelmehr von ein und derselben Ursprungspflanze kommen: eine Pflanze aus der Stuttgarter Wilhelma.

Themenlage / Aktualität:

Juni 2014 Tag der Artenvielfalt

In einer Publikation des Heidelberger Wissenschaftsverlags SPEKTRUM warnte unlängst Norbert Becker von der mittlerweile weltweit agierenden Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) aus der Region Rhein-Neckar:

Seit September 2013 lagen die Temperaturen im Bereich Rhein-Neckar-Main fast komplett über dem langjährigem Mittel.

(Chart von Messstelle Mannheim)

Das begünstigt die diesjährige Population, auch von Neobiota.

http://www.spektrum.de/news/drohen-dieses-jahr-mehr-insektenplagen/1283832

Insgesamt sind die Ursachen und Rahmenbedingungen für die Zuwanderung nichtindogener Arten zunehmend:

Klima(erwärmung) (wietere Charts Messstelle Mannheim)

Transport/Globale Warenwirtschaft (Chart Passagierflugaufkommen

und Frachtaufkommen)

Exotische Haustiere (gruselige Chart Stichprobe Exotentierhaltung Frankfurt am Main)

Administration und Gesetzgeber schlagen indess immer vehementer Alarm, die Maßnahmen werden energischer: Bezüglich Transportbestimmungen, Einfuhrbeschränkungen, Ahndung und Appelle an die Bevölkerung

EU-Gesetzgebung:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52008DC0789

Exotische Haustiere. Warnliste BfN http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript331.pdf

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DATA STORYLINE

Zielsetzung:

Sensibilisierung für das Thema Neobiota

Darstellungsform:

Interaktives Daten-Dossier mit dem Anspruch "mobile first"

Aufmacher-Element:

Entwicklungsstatistik Neobiota / evtl. deren Mapping

Vertiefung I:

Katalog Top 30 in der Region RNM aus den 100 invasivsten und bedenklichen Neobiota in Europa.

Vertiefung II

Interaktive Diagramme/Statistiken zu den ursächlichen Themenfeldern:

Klima

Transport/Globale Warenwirtschaft

Exotische Haustiere

Fließtext mit Expertenstatements etc.

evtl. Rückkanal in Form eines georeferenziellen Crowd Craftings für Rezipienten-Engagement und eigenen Datenerhebung.

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VORGEHENSWEISE

Identifizierung EU-Datenbank mit API

http://easin.jrc.ec.europa.eu/use-easin

Verwurf Nutzung dieser Datenbank, da Manual für Schnittstellen-Interpretation für auf die Schnelle zu diffus. Zudem alle Namen auf lateinisch und sonst auch sehr mit Fach-Terminologie gespickt.

Dafür:

Scrape der Top 100 Worst Neobiota-Liste und händischer Datenbank-Aufbau.

Recherche von offenen Klima-, Populations- und sonstigen erfassten Daten, sowie deren interaktive Visualisierung in Charts.

Recherche CC-Bilder und Bearbeitung.

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ERGEBNIS

Journalistisch aufbereitetes Daten-Dossier als Web-App

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Staff:

We are a team of three journalists, one coder and one designer.

Oliver Rack (@oliverrack)

Felix Ebert (@femeb)

Sebastian Schellenberger

Alexandra Franz

Vanessa Wormer (@remrow)